Tulemond & Mondamin

Salome Kammer singt Schönberg zu liederlicher Malerei
Koproduktion ensembleKontraste, Thalias Kompagnons und Tafelhalle Nürnberg
Premiere: 1. Oktober 2010 in der Tafelhalle Nürnberg


Arnold Schönberg:
Brettl-Lieder - arrangiert für kleines Ensemble von Markus Maria Reißenberger
Pierrot Lunaire op.21

Es singt Salome Kammer
Es malt Joachim Torbahn
Es musiziert das ensembleKontraste

Neben seiner verdienstvollen Befreiung des Klangs aus dem Diktat der klassischen Tonalität suchte Schönberg auch nach Herausforderungen u.a. im Reiche der Malerei und der Welt des Varietees. Eine ausgesuchte Sammlung seiner Lieder für die leichte Muse kommt nun zur Aufführung in einem Reigen "klingender Bilder". Hierfür treffen eine Sängerin und fünf Musiker vor einer großen Leinwand auf einen kleinen Maler:


Zu jeder Szene der verschiedenen Lieder sucht er auf seiner Malfläche nach neuen Ausdrucksformen, die direkt und von vorne auf die große Leinwand projiziert werden. So entstehen mit dem Gesang immer neue Bilder, die auch alle Ausführenden zu eigenen bildnerischen Elementen im Gemälde machen. Die Malerei integriert die Musik und die Musiker in ihr Spiel mit Farben und Formen, Linien und Flächen, Hellem und Dunklem, Abstraktem und Konkretem.


Mit den somnambulen Versen des Otto Erich Hartleben versinkt die Sängerin in eine morbide Phantasiewelt des mondtrunkenen Pierrots, der zerrissen zwischen Selbstironie und Suche nach neuer geistiger Heimat durch seine grotesken und surrealen Träume taumelt. Doch wenn der melancholische Clown ins tiefe Selbstmitleid zu stürzen droht, schützen ihn grober Pinsel oder
zarte Linie vor dem Absturz ins nachtschwarze Pathos.
Ein malerisch-musikalisches Abenteuer.

PRESSESTIMMEN

Dass die Kunstform Tanz Aspekte der Musik vertiefen und herausstellen kann, ist eine vertraute Tatsache. Dass dies jedoch auch mit Mitteln der bildenden Kunst im Augenblick der musikalischen Darbietung möglich ist, davon legte die „liederliche Malerei“ ein eindrucksvolles Beispiel ab: Erneut gelang den Kammermusikspezialisten des Ensemble Kontraste in der Zusammenarbeit mit Thalias Kompagnons ein musikalisch-visuelles Meisterstück.
Wie ein Handwerker über den Arbeitsplatz gebeugt, entwirft Joachim Torbahn an einem kleinen separaten Tisch seine Instant-Malerei. Als Technik dient ihm die Hinterglasmalerei, deren Ergebnisse auf großer Leinwand über die Köpfe der Musiker projiziert werden. Dort nehmen die wilden und surrealen Fantasien des Schönbergschen Harlekin „Pierrot Lunaire“ ihre zum Teil blutrünstige Gestalt an. (...)
Salome Kammer trägt die morbide, mondsüchtige Traumwelt mit einer vokalen Artistik vor, der die intensive Auseinandersetzung mit Schönberg nicht nur durch den Verzicht auf jede unterstützende Partitur anzuhören ist. Die fünf Musiker liefern hierzu eine perfekte, das musikalische Detail ehrende Darbietung, indem sie das gemäßigt atonale Melodram Schönbergs mit jenem Schwung und glühender Leidenschaft darbieten, mit der sie zuvor Erich Wolfgangs Korngolds Suite op. 23 als Intermezzo schwelgerisch ausbreiteten.
Schönbergs dunklen Nachtvisionen des melancholischen Clowns gehen an diesem Abend in der Tafelhalle die heiter vergnüglichen „Brettl-Lieder“ voran: Großer Beifall für eine außergewöhnliche Produktion, der das Interesse überregionaler Festivals zu wünschen wäre. 
Nürnberger Zeitung

Zu einem fantastisch flirrenden Stimmungsbild ergänzen sich Malerei, Gesang und Kammermusik im außergewöhnlichen Bühnenprojekt „Tulemond und Mondamin“ in der Nürnberger Tafelhalle.
Zwischen Klangfarben und visuellen Farbreizen, Gesang und Rezitation inszenierten das „Ensemble Kontraste“ und „Thalias Kompagnons“ mit Schönbergs „Pierrot Lunaire“ ein Schwellenwerk voller Übergänge. Denn mit Schönbergs Vertonung des gleichnamigen Gedichtzyklus Albert Girauds war der Weg vom Kunstlied zum Chanson, vom Theater zum Kabarett, von der gehobenen Dichtkunst zu den delikaten „Brettl-Liedern“ vielversprechend kurz geworden. (...)
Die Münchner Ausnahmesängerin Salome Kammer balanciert spielend auf dem schmalen Grat zwischen subtiler Überhöhung und vertonten Lebenslinien – und zwischen volltönender Kopfstimme und niederschwelligem Sprechgesang. Leichtgängig und flüssig, unangestrengt, fein nuanciert und traumwandlerisch sicher navigiert Kammer ihren wundersamen wie wunderbaren „Pierrot Lunaire“ zwischen den Ausdrucksformen – mal Bühnentier, mal Traumtänzerin.
Das „Mal-Theater“ von Joachim Torbahn erfindet dazu mit leichter Hand prägnante Farbkompositionen, die dauernd im Fluss bleiben. Die erst erotisch aufgeladenen und dann gewaltdurchfluteten, später sentimentalen, poetischen Ergüsse des schlafwandlerischen Pierrots spiegeln sich in kunstvoll verwischtem Nachtblau, schmutzig-giftigem Blutrot oder ganz nonchalant getupftem Gelb. Was zunächst abstrakt erscheinen mag, verdichtet stets den Klang – und was die musikalische Entwicklung illustriert, führt doch ein Eigenleben auf der Projektionsfläche, auf der auch der Malvorgang augenblicklich sichtbar wird. Ein gelungener Balanceakt.
Nürnberger Nachrichten

Fotos: Jutta Missbach