Rezension aus der Bayerischen Staatszeitung

Gemaltes Theater

"Peter und der Wolf" in Nürnberg

„Vom Kopf bis an den Schwanz, das Tier mal’ ich euch ganz. Vom Bein bis zu den Ohren, noch ist nichts verloren“, kommentiert der Maler reimend die Entstehung eines Geschöpfs aus wenigen Pinselstrichen. Ehe das Personal von „Peter und der Wolf“ Gestalt annimmt, darf sich das Publikum erst einmal auf der noch ganz weißen Leinwand den russischen Winter ausmalen – mit schneebedeckter Landschaft, Großvaters Haus und der Katze auf dem warmen Ofen...
Bei erwachsenen Zuschauern mag neben der Phantasie auch das kunsthistorische Erinnerungsvermögen mitspielen und Assoziationen an Kasimir Malewitsch’s „Weißes Rechteck auf weißem Grund“ wecken. Und gleich darauf an Jackson Pollock, denn via Action-Painting ergrünt die Leinwand im Handumdrehen: Die monochrome Phase ist abgehandelt, der Tapezierpinsel wird gegen feinere Modelle ausgetauscht und der Farbeimer durch den Malkasten.
Zwei Striche stehen für Peters Latzhose, weitere zieren den Ringelpullover, nach dem Prinzip Punkt-Punkt-Komma-Strich wird der abenteuerlustige Junge komplett. Gesellschaft bekommt er durch die in einem Schwung mit einem Haus versehene Schnecke und die Katze, die Spuren durch Fingermalerei hinterlässt.

Mit der Bilder-Geschichte setzen die beiden Figurentheater-Experten von „Tristans Kompagnons“ ihre Tradititon, in jedem Stück neue Ausdrucksformen zu erproben, auf bislang unkonventionellste Weise fort. Die Figuren werden vor den Augen des Publikums geschaffen und mitunter wieder weggewischt. Ihr Erscheinen und „Abgang“ (per Schwamm) gestaltet sich nach dem Rhythmus von Sergej Prokofjevs Musik. Im Einklang mit der Tondichtung malt und erzählt Joachim Torbahn, der nebenbei auch noch die Schwerfälligkeit von Peters Großvater oder die Anstrengung, den Wolf zu fesseln, durch Körpersprache zum Ausdruck bringt.
Das Experiment „Mal- und Erzähltheater“ in Form eines musikalischen Märchens ist virtuos geglückt.
Elisabeth Zeitler, Bayerische Staatszeitung 6.4.2001


Technische Bedingungen "Peter und der Wolf"
Peter und der Wolf