Rezension in "double" - Magazin für Figrentheater

MORDSSPASS

"Macbeth für Anfänger" von Tristans Kompagnons
Rezension von Katja Spiess

Mit dem Begriff Puppentheater assoziieren sich viele Wunschvorstellungen, die an das "große" Theater zu formulieren sich mancher Zuschauer längst abgewöhnt hat. Eine davon: Das Puppentheater möge kraft seiner Kleinheit und Überschaubarkeit die komplexe Welt und ihre oftmals noch komplexere Aneignung auf dem Theater wieder in etwas Verständliches und Handhabbares überführen. Wie ein Versprechen in diese Richtung mag da der Titel "Macbeth für Anfänger" klingen. Doch weit gefehlt: Was Tristan Vogt und Gyula Molnár in dieser Inszenierung an doppelten Böden, Hintersinnigkeiten und Fallstricken bereit thalten, lässt den Traum von der "kleinen Welt", in der der Puppenspieler regieren und der Zuschauer sich auskennen darf, rasch zerplatzen.

Es beginnt damit, dass der Puppenspieler vor den Vorhang tritt und erklärt, die Puppen seien leider nicht termingerecht fertig geworden, statt der geplanten "Macbeth"-Inszenierung werde nun etwas anderes gezeigt: "Die gestohlene Geburtstagstorte", ein "echter Kasperknüller" mit dem klassischen Personal: Kasper, Seppel, Großmutter, Prinzessin, Krokodil und Postbote - allesamt mit der Anmutung angeschrammter Jahrmarktspuppen (Gestaltung: Joachim Torbahn) und mit anheimelnd dialektalem Einschlag. Natürlich darf auch eine pointenreiche Handlung mit allerlei überraschenden Wendungen nicht fehlen - wie ein vom Krokdil verfasstes Liebes-Telegramm an die Prinzessin, das fälschlicherweise bei der Großmutter landet. Doch wie diesen wendungsreichen Plot durchhalten, wenn keine Requisiten zur Verfügung stehen? So nimmt das Unheil seinen Lauf. Die Puppen fühlen sich unterfordert ("Ich weiß meinen Satz, aber der ist doch sinnlos!") und fangen an zu rebellieren. Woraus sich eine folgenreiche Idee entwickelt: Warum eigentlich nicht gleich Shakespeare spielen? Doch wer besetzt die Rollen? Und vor allem: Wer darf den Macbeth spielen?
Es beginnt ein ebenso virtuoses wie vertracktes Spiel mit dem Spiel - bei dem ein Puppenspieler mit Puppen spielt, die Kasper spielen, aber lieber Shakespeare spielen würden - was der Direktor, der die Großmutter spielt, tunlichst vermeiden möchte. Hinter den Kulissen wird intrigiert, sich profiliert und um Rollen geschachert. Und am Ende - wen wundert's - steht der Kasper mit seiner Traumrolle da. Doch schon nach kurzem fordert die Tragödie ihre ersten Opfer und den Akteuren wird klar, dass sie dem lebensgefährlichen Spiel nicht entkommen können ("Ich will nicht, dass der König tot ist! Ich will wieder zu meiner Geburtstagstorte!") Da hilft nur eins: Flucht! Aber Shakespeare ist stärker, und so endet alles wie es enden muss: mit dem Tod.

"Macbeth für Anfänger" ist auf skurrile und hintersinnige Art eine wahrhaft "werktreue" Inszenierung, die die blutige Mechanik des "Macbeth" in all ihrer Konsequenz und Unausweichlichkeit aus- und durchspielt. Wo dieses Drama tobt, da wächst kein Gras mehr. Dabei packt sie Shakespeares Werk auch noch von einer anderen Seite: der des Spielerischen, des Theatralen, des Komödiantischen. Und nicht zuletzt bezeugt sie, wie stark Shakespeares Dramen im Volkstümlichen verhaftet sind, tun doch die Dialekt-Färbungen der Kasperfiguren den Charakteren keinen Abbruch, sondern geben ihnen eine ganz eigene dämonische Qualität (Mitarbeit an der Textfassung: Fitzgerald Kusz). Da wo wir die Gemütlichkeit und Harmlosigkeit zuhause wähnen, lauern auch Bosheit, Niedertracht und Gewalt - Horvath lässt grüßen.

"Macbeth für Anfänger" ist aber vor allem eins: Ein Theatervergnügen allerersten Ranges! Klug gedacht, raffiniert gemacht, temporeich und witzig. Und die Adaption des italienischen Originals "Macbeth all'improvviso", die Molnàr als Commedia-dell'arte-Inszenierung mit dem Handpuppenspieler Gigio Brunello erarbeitete, ist mehr als gelungen. Virtuos jonglieren Molnàr und Vogt mit den Konventionen des Kaspertheaters und der "großen Bühne", mit den Erwartungshaltungen an Shakespeare und ans Puppenspiel. Dass es ihnen dabei noch gelingt, das Shakespeare-Drama wirklich zu Ende zu erzählen, ist schlicht bewundernswert.
(double 2/2005)
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