Nürnberger Zeitung

Tristan Vogts "Schloss"-Adaption

Zeit für die unsinnigsten Dinge

Kafkas «Schloss» steht nicht gerade in dem Ruf, besonders amüsant zu sein. Umso bemerkenswerter ist, dass Tristan Vogt von «Thalias Kompagnons» es bei der Premiere seiner Adaption «Kafkas Schloss. Ein Machtspielchen» im Festsaal des Künstlerhauses schaffte, dem Stoff die Schwere zu nehmen. Das Publikum amüsierte sich hörbar über seine schnoddrigen Einfälle.

Wie er wohl mit minimalen Mitteln ein kollektives Besäufnis der Dorfbewohner darstellt? Ebenso einfach wie genial: Man nehme einen Eimer, werfe die Holzköpfe – pardon, die Dorfgesellschaft – hinein, kippe eine Flasche Bier über ihr aus und schwenke den Eimer samt Inhalt einmal kräftig durch! Dass es sich bei den Darstellern durchweg um handgroße, grob geschnitzte Holzfiguren handelt, entspricht der künstlerischen Handschrift Tristan Vogts. Die verschiedensten Stoffe – egal ob Märchen, Opern, Romane oder Shakespeare-Dramen – zum gehaltvollen Puppentheater für Erwachsene umzuarbeiten, ist seine Spezialität.

Ebenso bekannt ist Vogt für den erfrischend unverkrampften, um nicht zu sagen herrlich respektlosen, Umgang mit klassischem Kulturgut, an dem sich häufig Generationen von akademischen Erbsenzählern traditionell bedeutungsschwanger und mehr oder weniger leidenschaftlich verausgaben. Kafkas postum veröffentlichtes Romanfragment «Das Schloss» markiert da keine Ausnahme. Zahllose Hermeneutiker haben sich in sein düsteres Werk vertieft. Was vordergründig als scharfe Kritik am Bürokratismus und dem Herrschertum alles Administrativen daherkommt, wurde in alle möglichen Richtungen interpretiert. Die Lesart eines Vater-Sohn-Konflikts ist nur eine von vielen Varianten, wobei das unerreichbare Schloss den Vater repräsentieren soll und K. den verzweifelten Sohn auf der Suche nach Anerkennung . . .

Tristan Vogt verzettelt sich nicht in solchen Nebenschauplätzen. Für ihn bietet die ironische Überzeichnung bürokratischer Auswüchse genügend zeitlose Bezugspunkte. Ein besonderes Highlight der Inszenierung ist K.s Besuch beim bettlägrigen, leicht fränkelnden Gemeindevorstand. Dieser bittet seine Frau Mizzi, diverse Aktenberge nach einem Erlass zu durchforsten, in dem das Wort «Landvermesser» blau unterstrichen ist («Wissen Sie, ich habe durch meine Krankheit die Gelegenheit, mich in die unsinnigsten Dinge zu vertiefen . . .»).

Die Tatsache, dass die Figuren aus Holz sind, bekommt dabei eine ganz eigene Qualität: Zum einen versucht K. mit hölzerner Sturheit, ins Schloss zu kommen, zum anderen kann das Holz auch für die Starre und Eingeschränktheit der Dorfbewohner stehen. – Witzig, tiefsinnig, absolut sehenswert!
Christina Roth
20.2.2009